InvitroBoneSpec – Knochenimplantat-Tests komplett im Zelllabor Testung antibakterieller oder bakteriostatischer Oberflächen Wirkstoffuntersuchung von Krebsmedikamenten – normox/hypox, 2D/3D
Hintergrund
Eines unserer Ziele ist der weitgehende Verzicht auf Tierversuche und das Bestreben, beim Ersatz von Tierversuchen durch besser geeignete in vitro-Methoden Fortschritte zu erzielen. Für den Verzicht auf Versuchstiere als Modell in der medizinischen Forschung gibt es sowohl ethische als auch wissenschaftliche Gründe.
Zunächst müssen die Grundlagen hierzu betrachtet werden. Die Verwendung von Tieren in der Forschung wird national durch das Tierschutzgesetz und auf EU-Ebene durch die Direktive 2010/63/EU geregelt. Einen guten Überblick über das Thema mit aktuellen Informationen findet man auf den Seiten der Europäischen Kommission. Bei der Bewertung wird der Schaden an den Tieren klassifiziert und gegen den zu erwartenden Nutzen aufgewogen. Dabei spielen auch Möglichkeiten zur Vermeidung (Ersatzmethoden) im Sinne der 3R: Reduce, Replace, Refine eine Rolle (siehe auch hier). So werden Versuche, die Schmerzen verursachen, die nicht betäubt werden können, besonders kritisch gesehen. Nicht unter Tierversuche fallen schmerzfreie Untersuchungen (z.B. reine Verhaltensstudien), das (vorschriftsmäßige, also schmerzfreie) Töten von Tieren mit vernünftigem Grund sowie Eingriffe an Embryonen, Föten oder befruchteten Eiern. Dieser letzte Punkt ist sicherlich diskussionsfähig, allerdings zeigen viele Forscher hier von sich aus eine gesteigerte Sensibilität. Wir arbeiten z.B. mit bebrüteten Hühnereiern als Test für das Einwachsen von Blutgefäßen (HET-CAM-Assay), beenden diesen Versuch aber vor der Ausbildung des Schmerzempfindens im Zentralnervensystem, nach veterinärmedizinischer Rücksprache.
Ethik und Empfinden – zwei komplizierte Partner
Viele Menschen engagieren sich aus „ethischen Gründen“ gegen Tierversuche. Dies ist eine Erweiterung des zunächst unter Menschen geltenden Begriffs des Rechts auf Unversehrtheit auf Tiere und schein zunächst intuitiv verständlich. In Bezug auf die Forschung muss dieser Begriff allerdings genauer betrachtet werden. Unsere Position ist die Vermeidung von Tierversuchen, jedoch nicht auf Kosten des Menschen – wer konsequent zur jetzigen Zeit jegliche Tierversuche ablehnt, fordert letztlich Versuche am Menschen, um neue Medizinprodukte oder Arzneimittel in die Anwendung zu bringen. Dies erinnert an dunkle Zeiten in unserem Land und wird von uns konsequent abgelehnt.
Interessant wird es, wenn man nach den Grenzen der Definition „Tier“ fragt, und den Begriff auf „Respekt vor dem Leben“ ausdehnt. So wird die Grenze individuell verschieden bei höheren Primaten, allen Tieren mit Fell oder Wirbeltieren gezogen – obwohl selbst Stechmücken ein Schmerzempfinden haben. Und Pflanzen? Respektvoller Umgang sollte eigentlich keine Grenzen haben. In der Frage der Ablehnung von Tierversuchen stößt man unweigerlich auf die Motivation der Empfindung – letztlich ist es das eigene Empfinden, dass zu einer Definition der ethischen Behandlung führt, obwohl Ethik ein eigenes Gedankenkonstrukt darstellt. Tiere, die emotional einen stärkeren Eindruck erwecken, werden als stärker schützenswert betrachtet. Wenn es darum geht, das Wohl von Menschen, das Recht auf Wissen und die Schwere eines Eingriffs abzuschätzen, ist die subjektiv definierte „Ethik“ also ein denkbar schlechtes Kriterium. Dennoch ist dieser Ansatz mehr als legitim: unser persönliches Empfinden darf und soll im Mittelpunkt stehen. Eine Welt ohne Tierleid gibt es auch ohne Menschen nicht, wichtig ist, wie sich Menschen, die Tiere wissentlich und gegen ihr Empfinden misshandeln entwickeln und was dies mit ihnen in Bezug auf die Entwicklung einer Gesellschaft allgemein macht. Die Frage der Ethik läuft also nicht auf die Diskussion der „Notwendigkeit“ und „Unvermeidbarkeit“ heraus, sondern auf die Frage: Möchten wir in einer Gesellschaft leben, in der in unserer Mitverantwortung Menschen Tieren unnötiges Leid zufügen? Betrachtet man die Leiden und Verletzungen, die unter Wildtieren üblich sind, und bezieht sich auf den Begriff „artgerecht“, können auch die aktuell zur Beurteilung angewendeten Kriterien des Schmerzes und der Beeinträchtigung in den Lebensfunktionen nur als Notlösung betrachtet werden – allerdings eine zumindest durch Veterinäre und erfahrene Tierhalter relativ zuverlässig erfassbare.
Wissenschaftstheoretischer Ansatz
Ein wesentlich zuverlässigeres Argument gegen Tierversuche ist deren Eignung als wissenschaftliche Methode. Ein Experiment zur Validierung einer Hypothese muss hinreichend kontrolliert sein, also die kausalen Faktoren, die das Ergebnis beeinflussen, bekannt oder ableitbar, und zudem reproduzierbar. Hier müssen zwei Ansätze unterschieden werden: Die Forschung an biologischen Eigenschaften von Tieren, also Versuche mit Tieren in der Grundlagenforschung, und die Verwendung von Tier“modellen“ um medizinische Sachverhalte ersatzweise zu untersuchen. Vereinfacht gesagt „Forschung am Tier“ und „Forschung im Tier“. Versuche zu Biologie eines Tieres werden eher als unvermeidbar gewertet, zudem spielt ein potentieller Nutzen für die Tierart (besserer Schutz, bessere tierärztliche Behandlung) hier eine Rolle. Versuche zur Validierung von Hypothesen sind essentieller Bestandteil wissenschaftlicher Arbeit, deshalb ist es oft schwierig, solche Versuche in der Forschung an Tieren zu vermeiden.
In unserer Arbeit haben wir es vor allem mit Versuchen zu tun, die wir „Forschen im Tier“ nennen. So fällt es zunächst negativ auf, wenn neue Biomaterialien einfach deshalb im Tier getestet werden sollen, weil dabei etablierte chirurgische Eingriffe angewendet und die Auswertung über die klinische Pathologie einfach erscheint. Die Ergebnisse mehrfacher Studien, so solche durchgeführt werden, sind teilweise erstaunlich inkongruent.
Das häufigste Argument für Tierversuche ist, dass Laborkulturen die Komplexität des menschlichen Organismus (der das alleinige Ziel medizinischer Forschung ist) nicht nachbilden können, vor allem was das Immunsystem und die Blutversorgung betrifft. Diese Argumentation greift zu kurz, da auch die Versuchstiere dies nicht können. Nicht umsonst heißen solche Versuchstieransätze „Modelle“. Diese Tiermodelle müssen auf Ihre Eignung für die jeweilige medizinische Fragestellung geprüft, qualifiziert werden, da
- Physiologie, Anatomie und fast immer auch Größe der Tiere nicht dem Menschen gleicht
- Versuchstiere nicht dieselbe Krankheit haben wie der Mensch
- Versuchstiere in der Regel jung sind, also wesentlich besser heilen
Dieser Abgleich mit einem Modell ist eine legitime wissenschaftliche Methode, eigentlich ist jeder Versuch eine Abstraktion unter der Verwendung von Annahmen und Vereinfachungen. So konnten wir auf der Erde physikalische Experimente machen, die Annahmen über das All bestätigten – und sind damit bis zum Mond und weiter gekommen.
Ein solcher Abgleich ist aber analog auch für in vitro Methoden möglich und ebenso valide. Da auch ein Tierversuch auf der Verwendung eines Modells basiert, haben Versuche mit Zell- und Gewebekulturen, wenn sie richtig konzipiert und ausgewertet werden, einen ebenso gültigen Erklärungswert. Es muss nur ausreichend Wissen über die abzubildenden Prozesse vorhanden sein – das gleiche gilt aber auch für Versuche im Tier. So ist eine detaillierte Analyse verschiedener zellulärer Probleme wesentlich exakter als eine pauschale Untersuchung der Reaktion in Tieren. Zellkulturversuche sind hoch reproduzierbar, während Tierversuche immer individuellen Schwankungen unterworfen sind.
Nachweis der Validität ist Gegenstand der Forschung
Mit unserem InvitroBoneSpec System verwenden wir solche abstrahierenden Methoden, die uns teilweise wesentlich weiter führende Schlussfolgerungen über die zu erwartenden Eigenschaften eines Materials ermöglichen als ein Tierversuch. So können wir wissenschaftlich reproduzierbar und detailliert am Material forschen – und über die Testung hinaus noch neue Aspekte darüber erarbeiten, die eine Verbesserung möglich machen. Wenn dann das Material sorgfältig charakterisiert ist, wird es auch in einem Tierversuch keinen Schaden anrichten – das spart Leid, Entwicklungsaufwand und Kosten.